Handlungsort

Tatortbestimmung im Internet

Tatortbestimmung im Internet

Der Tatort einer Straftat lässt sich bei vielen Delikten – bspw. einer Körperverletzung oder einem Diebstahl – im „realen“ Leben ohne Schwierigkeiten bestimmen. Im Bereich der Cyberkriminalität gestaltet sich dies dagegen umso schwieriger. Soll darauf abgestellt werden, wo sich der Täter selbst während der strafbaren Handlung befindet, wo die Handlung ihre Wirkung entfaltet oder doch darauf, wo sich der vom Täter ausgewählte Server befindet? Relevant ist die Klärung dieser Frage mitunter, um herauszufinden, ob und wo ein Täter strafrechtlich verfolgt werden kann.

Gemäß § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Der Tatort kann somit sowohl nach dem Handlungs- als auch nach dem Erfolgsort einer Straftat bestimmt werden.

Der Handlungsort als Tatort

Der Bundesgerichtshof knüpft den Handlungsort iSd § 9 Abs. 1, 1. Fall StGB im Bereich der Cyber-Delikte bei einem aktivem Tun ausschließlich an den Aufenthaltsort des Täters, folglich an den Ort, an dem sich der Täter bei Vornahme der tatbestandlichen Handlung physisch befindet. Unerheblich hingegen ist demnach, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet oder an welchem Standort sich der genutzte Server befindet.[1]

Den teilweise in der Rechtsprechung und im Schrifttum – bis dahin – vertretenen gegenläufigen Ansichten[2], die im Ergebnis zu einem extensiven Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts führen, erteilte der Bundesgerichtshof eine ausdrückliche Absage.[3]

Da der Handlungsort bei aktivem Tun auch sonst grundsätzlich durch den Aufenthaltsort des Täters bestimmt wird,[4] überzeugt die Ansicht nicht, nach der ein Handlungsort auch dort gegeben sein soll, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet. So ist der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung nicht als Teil der Handlung selbst anzusehen.[5] Aus denselben Erwägungen kommt es auch nicht in Betracht, den Standort des vom Täter angewählten Servers für ausschlaggebend zu erachten.[6]

Der Erfolgsort als Tatort

Der Tatort kann des Weiteren gemäß § 9 Abs. 1, 3. Fall und 4. Fall StGB an dem Ort liegen, „an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist” oder eintreten sollte.

Auch hierbei stellen sich im Bereich der Cyberkriminalität verschiedene Probleme. So kann etwa eine Beleidigung im Internet durch die weltweite Abrufbarkeit im Grunde überall einen Erfolgsort haben, während sie außerhalb des Internets in der Regel einen beschränkten Empfängerkreis und daher nur wenige Erfolgsorte hat.[7]

Weiterhin haben beispielsweise abstrakte Gefährdungsdelikte, zu denen mit Ausnahme der Beleidigung alle Äußerungsdelikte zählen, nach weit verbreiteter Ansicht überhaupt keinen Erfolgsort iSd § 9 Abs. 1, 3. Fall und 4. Fall StGB, sondern sind bereits mit der Vornahme der entsprechenden Handlung vollendet. Wohingegen bei der Erpressung, einem Erfolgsdelikt, mit der Zahlung des erpressten Geldes der tatbestandliche Erfolg eintritt und der Erfolgsort somit am Ort der Zahlung liegt, genügt es beispielsweise für eine Strafbarkeit bei der Trunkenheit im Verkehr, einem abstrakten Gefährdungsdelikt, wenn der alkoholisierte Täter mit seinem Fahrzeug fährt, selbst wenn weit und breit keine andere Person, die verletzt werden könnte, anwesend ist und auch andere Rechtsgüter mit Sicherheit nicht beeinträchtigt werden.[8] Hierbei muss für eine Strafbarkeit des Täters weder ein Schaden entstehen, noch eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut eintreten. Mithin ist allein die Vornahme der tatbestandlichen Handlung ausreichend. Mangels der Notwendigkeit eines Erfolges existiert bei solchen Delikten auch kein Erfolgsort.

So entschieden auch der Bundesgerichtshof und das Landgericht Stuttgart, dass in einem so gelagerten Fall als Begehungsort einer Straftat regelmäßig lediglich der Handlungsort in Betracht käme.[9]

Eine damit nunmehr überholte Ansicht knüpft für die Bestimmung des Erfolgsortes bei abstrakten Gefährdungsdelikte im Internet dort an, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit entfalten kann, im Falle von Äußerungsdelikten also an jedem Ort, an dem die rechtswidrigen Inhalte verfügbar und damit abrufbar sind.[10] Der Bundesgerichtshof nahm dies allerdings nur an, wenn ein abstraktes Gefährdungsdelikt wie beispielsweise die Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 und 3 StGB, anhand der sogenannten Eignungsformel zu einem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt wird.[11] Demnach muss das entsprechende Verhalten des Täters geeignet sein, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. So sei nämlich das jeweilige Delikt hinsichtlich des Erfolgsorts mit konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar.[12] Jedoch hat sich der Bundesgerichtshof mittlerweile ausdrücklich von dieser Auffassung gelöst und seine Aussagen zu sogenannten abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten revidiert; demnach tritt jedenfalls an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg ein.[13]

Teilweise wird der Erfolgsort jener Delikte auch im Sinne eines „Tathandlungserfolgs“ verstanden, wobei der jeweilige Ort sich dann entsprechend danach bestimmt, wohin der Täter rechtswidrige Daten aktiv und gezielt übermittelt.[14] Die bloße Abrufbarkeit der Daten genügt hiernach gerade nicht.

Hinsichtlich des Erfolgsortes ist ebenfalls der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bzw. des Landgerichts Stuttgart[15] zu folgen, wonach im Hinblick auf abstrakte Gefährdungsdelikte lediglich auf den jeweiligen Handlungsort abgestellt werden kann. Aufgrund der Zufälligkeiten im Internet und des unbeschränkten Empfängerkreises kann auch hier allenfalls an den Aufenthaltsort des Täters verlässlich angeknüpft werden. Auch im Hinblick auf die prozessualen Konsequenzen ist es zweckmäßig und praktikabel, in dieser Frage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu folgen.

Eine Bestimmung nach dem Standort des jeweils zur strafbaren Handlung genutzten Hardwaregerätes überzeugt nicht, unter anderem, weil zahlreiche Möglichkeiten existieren, die Identität eines Computers zu verschleiern. Am verlässlichsten bleibt daher eine Anknüpfung an den Aufenthaltsort des Täters.

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Posted by Louisa Lierz in Cybercrime, IT-Strafrecht, Praxistipps