Rechtsprechung

Fluggäste müssen Datenspeicherung zur Terrorabwehr dulden

Fluggäste müssen Datenspeicherung zur Terrorabwehr dulden

Ein italienischer Staatsbürger aus Brüssel wollte mit einem an das Bundeskriminalamt (BKA) gerichteten Antrag erreichen, dass seine Flugdaten nicht gespeichert, verarbeitet oder übermittelt werden. Der Rechtsbehelf blieb jedoch erfolglos.

Der Antragsteller unternahm im Zeitraum von Mai 2018 bis Juli 2019 eine Vielzahl an Flügen innerhalb der europäischen Union. Ihm ging es in seinem Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes primär um eine Flugreise von Brüssel nach Berlin und zurück, die er im November 2019 unternehmen wollte.

Der EU-Bürger berief sich auf sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Die von den deutschen Behörden ergriffenen Maßnahmen zu Speicherung und Verarbeitung seiner Daten tangieren sein Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten aus Art. 8 der Charta sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird.

Das Bundeskriminalamt lehnte den Antrag des Mannes ab. Die Sicherheitsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass sie mit Blick auf die Terrorabwehr gesetzlich dazu verpflichtet sei, die Flugdaten von Passagieren zu speichern. Diese Pflicht ergebe sich konkret aus dem deutschen Fluggastdatengesetz (FlugDaG). Laut der EU Richtlinie (EU)2016/681 müssen alle Fluggastdaten, der in die EU oder aus der EU Fliegenden, in eine zentrale Datenbank aufgenommen werden. Die Eingriffe in die Rechte des Antragstellers seien daher gerechtfertigt.

Seinen darauffolgenden Eilantrag an das Verwaltungsgericht Wiesbaden lehnte das Gericht als unzulässig ab. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung (Beschluss v. 21.08.2019, Az. 6 L 807/19.WI) damit, dass dem Antragsteller bereits das notwendige Rechtschutzinteresse fehle. Das Gericht wies darauf hin, dass der Antragsteller im Zeitraum zwischen Mai 2018 und Juli 2019 zahlreiche ähnliche Flüge unternommen habe, bei denen ebenfalls Fluggastdaten gespeichert wurden. Die Speicherung, Verarbeitung oder Übermittlung der Daten habe er damals offensichtlich widerspruchslos hingenommen. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum die Datenspeicherung in Deutschland für ihn plötzlich unzumutbar sei.

Gegen den Beschluss kann der Antragsteller Beschwerde beim Verwaltungsgerichthof Kassel einlegen.

Posted by Merve Celik in Datenschutz, Rechtsprechung
Einziehung und Verwertung illegal erworbener Bitcoins

Einziehung und Verwertung illegal erworbener Bitcoins

Rechtsprechungshinweis: BGH 1 StR 412/16 – Beschluss vom 27. Juli 2017 (LG Kempten)

Erlangtes Etwas im Sinne der § 73 Abs. 1 aF StGB ist die Gesamtheit des materiell aus der Tat tatsächlich Erlangten. Hiervon werden – ungeachtet ihrer Rechtsnatur – auch Bitcoins erfasst. Sie stellen angesichts ihres Marktwertes einen realisierbaren Vermögenswert dar, für den der Angeklagte sowohl materiell Berechtigter ist als auch die faktische Verfügungsgewalt hat. Sie sind angesichts der Speicherung in der Blockchain und der Kombination aus öffentlichen und dem Angeklagten bekannten privaten Schlüssel der Wallet hinreichend abgrenzbar und damit tauglicher, wenn auch nicht körperlicher Gegenstand einer Verfallsanordnung. Soweit dagegen geltend gemacht wird, Bitcoins könnten allein deswegen kein Verfallsgegenstand sein, da sie weder Sache noch Recht seien und deswegen der Wortlaut des § 73e aF StGB auf sie nicht anwendbar sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 aF StGB enthält gerade keine solche Begrenzung auf Sachen oder Rechte.

Mining von Kryptowährungen mittels eines Botnetzes ist de lege lata strafbar

In seiner Entscheidung befasste sich der erste Senat mit der Frage der Strafbarkeit des illegalen Bitcoinschürfens. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunden, indem der Angeklagte die Kontrolle über fremde Rechner mittels des Einsatzes eines Trojaners übernahm, um diese zum Bitcoin-Mining zu verwenden. Die gekaperten Rechner werden dabei zu einem sog. Botnetz zusammengefügt und ihre Rechenleistung zu bündeln.

Der BGH bestätigte die Entscheidung des vorbefassten Tatgerichts (LG Kempten) dahingehend, dass diese Handlung den Tatbestand der Datenveränderung nach § 303a StGB sowie (tateinheitlich) den Tatbestand des Ausspähens von Daten gemäß § 202 a StGB erfüllt.[1] Durch den Einsatz des Trojaners wird die Tat durch den geschädigten Computerinhaber selbst, also in mittelbarer Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB, erfüllt. Hierbei hat der Computerinhaber, dessen Rechner als sog. Zombie Computer unbemerkt fremdgesteuert wird, meist keine Kenntnis.

Vermögensabschöpfung nach §§ 73ff. StGB auch bei Bitcoins möglich

Besondere Bedeutung kommt der Entscheidung zu, da sich der BGH erstmalig mit der Frage beschäftigt hat, ob Bitcoins dem Verfall nach § 73 aF StGB unterfallen und damit als Tatertrag eingezogen werden können. Dies wird als Vermögensabschöpfung bezeichnet. Obgleich die Rechtsnatur von Bitcoins umstritten ist, bejaht der BGH die Frage mit der Begründung, dass Bitcoins einen realisierbaren Vermögenswert in sich tragen, der durch die Kombination aus öffentlichem und privatem Schlüssel hinreichend abgrenzbar sei.[2] Der Täter als materiell Berechtigter hat faktische Verfügungsgewalt über die Bitcoins, da ihm die Kombination aus öffentlichem Schlüssel und  privatem Schlüssel der Wallet bekannt ist. Auch wenn Bitcoins zwar keinen körperlichen Gegenstand darstellen, sind sie trotzdem tauglicher Gegenstand einer Verfallsanordnung. Das Gegenargument, das Bitcoins weder Sache noch Recht sind und deshalb vom Wortlaut des Gesetzes (hier § 73e aF StGB) nicht erfasst sein können, überzeugt den BGH nicht.

Das der private Schlüssel zur Wallet den Ermittlungsbehörden nicht bekannt ist, wirkt sich auf die Anordnung des Verfalls nicht aus. Zwar ist Kenntnis dieses Schlüssels Voraussetzung, um die faktische Verfügungsgewalt über die Bitcoins zu übernehmen. Dies betrifft aber lediglich die Vollstreckung der Verfallsentscheidung, zu der sich der BGH nicht geäußert hat.

Offen bleibt ebenfalls die Frage, wie die Einziehung der Bitcoins im konkreten Fall umgesetzt werden soll. Gemäß § 75 StGB geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über. Ob die Bitcoins in eine staatliche Bitcoin-Wallet überführt oder zunächst in der Wallet des Täters verbleiben, um später ggf. veräußert oder umgewandelt zu werden, wird seitens des BGH leider nicht erörtert. Es wäre durchaus interessant zu wissen, was mit den Bitcoins geschehen ist. Im konkreten Fall wurden 86 Bitcoins sichergestellt sowie der Verfall über weitere 1.730 Bitcoins angeordnet. Schon zum Entscheidungszeitpunkt (Juli 2017)  hatten die insgesamt 1.816 Bitcoins einen Wert von fast 4 Millionen Euro. Nach heutigem Kurs (Stand Juli 2019) wären die Bitcoins sogar rund 16 Millionen Euro wert.

Im Ergebnis stellt die Entscheidung jedenfalls klar, dass Bitcoins grundsätzlich eingezogen und verwertet werden können, auch wenn weiterhin Fragen ­­– insbesondere zur Vollstreckung und Rechtsfolge – offenbleiben. Obgleich die Entscheidung des BGH noch auf Grundlage der alten Rechtslage (alte Rechtsgrundlage: Verfall nach § 73 aF StGB) erfolgte, ist davon auszugehen, dass sich die im Juli 2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (aktuelle Rechtsgrundlage: Einziehung von Taterträgen nach § 73 nF StGB) nicht auswirkt.

Fußnoten
[1] Hierzu insgesamt kritisch: Brodowski, StV 4/2019, 385f.

[2] Der BGH nimmt hierbei Bezug auf Rückert MMR 2016, 295, 296.

Posted by Dr. Mathias Grzesiek in Kryptowährungen, Rechtsprechung
Unverwertbarkeit von TKÜ-Ergebnissen bei Täuschung des Ermittlungsrichters

Unverwertbarkeit von TKÜ-Ergebnissen bei Täuschung des Ermittlungsrichters

Rechtsprechungshinweis: Urteil des AG München v. 15.11.2018 – Aktenzeichen: 1117 Ls 364 Js 10664618

Hat die Ermittlungsbehörde einen Beschluss des Ermittlungsrichters zur Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO dadurch herbeigeführt, dass sie den Sachverhalt unrichtig darstellt, um den erforderlichen Tatverdacht gegen den Beschuldigten zu begründen, so sind die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung unverwertbar.

Anmerkung: Die Durchführung der „klassischen“ Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO wird von der Staatsanwaltschaft beantragt. Sie setzt gem. § 100e Abs. 1 StPO grundsätzlich eine richterliche Anordnung voraus (Richtervorbehalt). Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch allein durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. Sie tritt jedoch außer Kraft, sofern sie nicht binnen drei Werktagen gerichtlich bestätigt wird. Im hiesigen Fall hat die Ermittlungsbehörde den Sachverhalt, welcher Grundlage der Entscheidung des Ermittlungsrichters ist, falsch dargestellt. Hierdurch kam es zu einer gerichtlichen Entscheidung, die auf unrichtigen Tatsachen beruhte. Das Amtsgericht München erblickte hierin einen Verfahrensverstoß (Beweiserhebungsverbot), der zu einem Beweisverwertungsverbot führte. Die Entscheidung des AG München ist aus rechtsstaatlicher Sicht begrüßenswert. Da § 100e Abs. 1 StPO sich auf alle Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c StPO bezieht, gilt die Unverwertbarkeit von Ermittlungsergebnisse, die auf einer irrtumgsbedingten richterlichen Anordnung beruhen, ebenso für die Quellen-TKÜ nach § 100a Abs. 1 S. 2 u. 3 StPO sowie für die Online-Durchsuchung nach § 100b StPO.

 

Posted by Dr. Mathias Grzesiek in IT-Strafrecht, Rechtsprechung