Tatortbestimmung im Internet

Tatortbestimmung im Internet

Der Tatort einer Straftat lässt sich bei vielen Delikten – bspw. einer Körperverletzung oder einem Diebstahl – im „realen“ Leben ohne Schwierigkeiten bestimmen. Im Bereich der Cyberkriminalität gestaltet sich dies dagegen umso schwieriger. Soll darauf abgestellt werden, wo sich der Täter selbst während der strafbaren Handlung befindet, wo die Handlung ihre Wirkung entfaltet oder doch darauf, wo sich der vom Täter ausgewählte Server befindet? Relevant ist die Klärung dieser Frage mitunter, um herauszufinden, ob und wo ein Täter strafrechtlich verfolgt werden kann.

Gemäß § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Der Tatort kann somit sowohl nach dem Handlungs- als auch nach dem Erfolgsort einer Straftat bestimmt werden.

Der Handlungsort als Tatort

Der Bundesgerichtshof knüpft den Handlungsort iSd § 9 Abs. 1, 1. Fall StGB im Bereich der Cyber-Delikte bei einem aktivem Tun ausschließlich an den Aufenthaltsort des Täters, folglich an den Ort, an dem sich der Täter bei Vornahme der tatbestandlichen Handlung physisch befindet. Unerheblich hingegen ist demnach, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet oder an welchem Standort sich der genutzte Server befindet.[1]

Den teilweise in der Rechtsprechung und im Schrifttum – bis dahin – vertretenen gegenläufigen Ansichten[2], die im Ergebnis zu einem extensiven Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts führen, erteilte der Bundesgerichtshof eine ausdrückliche Absage.[3]

Da der Handlungsort bei aktivem Tun auch sonst grundsätzlich durch den Aufenthaltsort des Täters bestimmt wird,[4] überzeugt die Ansicht nicht, nach der ein Handlungsort auch dort gegeben sein soll, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet. So ist der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung nicht als Teil der Handlung selbst anzusehen.[5] Aus denselben Erwägungen kommt es auch nicht in Betracht, den Standort des vom Täter angewählten Servers für ausschlaggebend zu erachten.[6]

Der Erfolgsort als Tatort

Der Tatort kann des Weiteren gemäß § 9 Abs. 1, 3. Fall und 4. Fall StGB an dem Ort liegen, „an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist” oder eintreten sollte.

Auch hierbei stellen sich im Bereich der Cyberkriminalität verschiedene Probleme. So kann etwa eine Beleidigung im Internet durch die weltweite Abrufbarkeit im Grunde überall einen Erfolgsort haben, während sie außerhalb des Internets in der Regel einen beschränkten Empfängerkreis und daher nur wenige Erfolgsorte hat.[7]

Weiterhin haben beispielsweise abstrakte Gefährdungsdelikte, zu denen mit Ausnahme der Beleidigung alle Äußerungsdelikte zählen, nach weit verbreiteter Ansicht überhaupt keinen Erfolgsort iSd § 9 Abs. 1, 3. Fall und 4. Fall StGB, sondern sind bereits mit der Vornahme der entsprechenden Handlung vollendet. Wohingegen bei der Erpressung, einem Erfolgsdelikt, mit der Zahlung des erpressten Geldes der tatbestandliche Erfolg eintritt und der Erfolgsort somit am Ort der Zahlung liegt, genügt es beispielsweise für eine Strafbarkeit bei der Trunkenheit im Verkehr, einem abstrakten Gefährdungsdelikt, wenn der alkoholisierte Täter mit seinem Fahrzeug fährt, selbst wenn weit und breit keine andere Person, die verletzt werden könnte, anwesend ist und auch andere Rechtsgüter mit Sicherheit nicht beeinträchtigt werden.[8] Hierbei muss für eine Strafbarkeit des Täters weder ein Schaden entstehen, noch eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut eintreten. Mithin ist allein die Vornahme der tatbestandlichen Handlung ausreichend. Mangels der Notwendigkeit eines Erfolges existiert bei solchen Delikten auch kein Erfolgsort.

So entschieden auch der Bundesgerichtshof und das Landgericht Stuttgart, dass in einem so gelagerten Fall als Begehungsort einer Straftat regelmäßig lediglich der Handlungsort in Betracht käme.[9]

Eine damit nunmehr überholte Ansicht knüpft für die Bestimmung des Erfolgsortes bei abstrakten Gefährdungsdelikte im Internet dort an, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit entfalten kann, im Falle von Äußerungsdelikten also an jedem Ort, an dem die rechtswidrigen Inhalte verfügbar und damit abrufbar sind.[10] Der Bundesgerichtshof nahm dies allerdings nur an, wenn ein abstraktes Gefährdungsdelikt wie beispielsweise die Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 und 3 StGB, anhand der sogenannten Eignungsformel zu einem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt wird.[11] Demnach muss das entsprechende Verhalten des Täters geeignet sein, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. So sei nämlich das jeweilige Delikt hinsichtlich des Erfolgsorts mit konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar.[12] Jedoch hat sich der Bundesgerichtshof mittlerweile ausdrücklich von dieser Auffassung gelöst und seine Aussagen zu sogenannten abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten revidiert; demnach tritt jedenfalls an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg ein.[13]

Teilweise wird der Erfolgsort jener Delikte auch im Sinne eines „Tathandlungserfolgs“ verstanden, wobei der jeweilige Ort sich dann entsprechend danach bestimmt, wohin der Täter rechtswidrige Daten aktiv und gezielt übermittelt.[14] Die bloße Abrufbarkeit der Daten genügt hiernach gerade nicht.

Hinsichtlich des Erfolgsortes ist ebenfalls der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bzw. des Landgerichts Stuttgart[15] zu folgen, wonach im Hinblick auf abstrakte Gefährdungsdelikte lediglich auf den jeweiligen Handlungsort abgestellt werden kann. Aufgrund der Zufälligkeiten im Internet und des unbeschränkten Empfängerkreises kann auch hier allenfalls an den Aufenthaltsort des Täters verlässlich angeknüpft werden. Auch im Hinblick auf die prozessualen Konsequenzen ist es zweckmäßig und praktikabel, in dieser Frage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu folgen.

Eine Bestimmung nach dem Standort des jeweils zur strafbaren Handlung genutzten Hardwaregerätes überzeugt nicht, unter anderem, weil zahlreiche Möglichkeiten existieren, die Identität eines Computers zu verschleiern. Am verlässlichsten bleibt daher eine Anknüpfung an den Aufenthaltsort des Täters.

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Posted by Louisa Lierz in Cybercrime, IT-Strafrecht, Praxistipps
IT-Sicherheit im Homeoffice – 7 Praktische Tipps

IT-Sicherheit im Homeoffice – 7 Praktische Tipps

Angetrieben durch die Corona-Krise nimmt der Trend zum Homeoffice stetig zu. Viele Arbeitnehmer arbeiten zum größten Teil – oder sogar ausschließlich – vom privaten Arbeitsplatz zu Hause. Im Homeoffice prallen Privat- und Arbeitsleben aufeinander, was ein Risiko für die IT-Sicherheit bedeutet. Unternehmen sehen sich daher zunehmend mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Der Gewährleistung von IT-Sicherheit im Homeoffice.

Cyber-Angriffe als Bedrohungsrisiko auch im Homeoffice

Cyber-Angriffe auf Unternehmen haben in den letzten Jahren merklich zugenommen. Laut der Cyber-Security-Studie 2020[1] gaben 78 Prozent der befragten Unternehmen an, im laufenden Jahr attackiert worden zu sein. Von 2018 bis 2019 betrug der durch Cyber-Angriffe verursachte Schaden mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr. Verglichen mit den Jahren 2016 und 2017 kam es sogar zu einer Verdopplung der Schadenssumme[2].

Cyber-Angriffe sind vielfältig und können nicht nur unangenehm sein, sondern auch zu erheblichen Vermögensschäden und Reputationsverlusten führen. Folgende Fallkonstellationen sollen der Verdeutlichung dienen:

  • Mit DDoS (Distributed-Denial-of-Service) Attacken werden Systeme gezielt überlastet, um Dienste oder Server zeitweise lahmzulegen. Ein durch eine DDoS-Attacke verursachter temporärer Ausfall eines Onlineshops oder einer Website kann innerhalb weniger Tag zu hohen Umsatzeinbußen führen.
  • Wenn Schadsoftware, wie bspw. Dateisysteme verschlüsselnde Ransomware, eindringt und die IT-Systeme eines Unternehmens lahmlegt, kann dies zu Produktionsausfällen und sogar zu einer kompletten Handlungsunfähigkeit des Unternehmens führen.
  • ATP-Angriffe, bei denen Angreifer über einen längeren Zeitraum gezielt Daten ausspionieren, können zu einem Verlust sensibler Daten oder Geschäftsgeheimnissen führen und dadurch irreversible Schäden verursachen.
  • Beim CEO-Fraud werden Mitarbeiter durch gezielte Video-Calls und E-Mails, bei denen sich der Angreifer als Führungskraft des Unternehmens ausgibt, veranlasst, große Geldbeträge zu überweisen. Diese Methode des sog. Social Engineerings ist zwar technisch anspruchslos, aber weit verbreitet.
  • Beim Phishing versuchen Cyber-Kriminelle mithilfe von gefälschten Webseiten, E-Mails oder Kurznachrichten an sensible Informationen oder Zugriffsdaten zu kommen.

Die Nichteinhaltung angemessener Sicherheitsmaßnahmen erhöht die Gefahr, Opfer eines Cyber-Angriffs zu werden. Dies gilt nicht nur im Büro, sondern auch im Homeoffice.

Optimaler Schutz nur mittels verschlüsselter VPN-Verbindung und MFA

 Bestmöglicher Schutz kann nur gewährleistet werden, wenn das Unternehmen die für das Arbeiten im Homeoffice notwendige Infrastruktur bereitstellt. Hierzu gehört neben der Zurverfügungstellung von sicheren Endgeräten (z.B. Firmen-Laptop oder Diensthandy) auch der geschützte Zugriff auf das Firmennetz via verschlüsselter VPN-Verbindung (Virtual-Private-Network). Dabei erfolgt der Verbindungsaufbau zu einer abgeschotteten Arbeitsumgebung (Terminal-Server oder Virtual-Desktop). Um eine VPN Verbindung aufzubauen, muss eine entsprechende Softwarelösung auf dem Endgerät installiert und eingerichtet werden. In der Regel gibt es vom Unternehmen hierfür Richtlinien und standardisiert genutzte Software.

Idealerweise wird die Verbindung erst dann aufgebaut, wenn sich der Mitarbeiter zuvor mittels einer MFA (Multi-Faktor-Authentifizierung) erfolgreich legitimiert hat. Hierzu ist neben der Eingabe von Login-Daten auch die Freigabe durch einen Hardware-Token (elektronisches Gerät zur Erzeugung eines Einmalpassworts) oder eine Smartphone-App erforderlich. Ist die Verbindung zum Unternehmensnetzwerk einmal aufgebaut, genießt der Mitarbeiter dank Firewall und Echtzeitüberwachung den gleichen Schutz, wie an seinem Arbeitsplatz im Büro. Das technische Konzept wird mittels einer Sicherheitsrichtline ergänzt, die das Unternehmen zur Verfügung stellen sollte. Diese sollte regeln, welche Informationen (auf Papier und auf IT-Systemen) aus dem Unternehmen transportiert und im Homeoffice bearbeitet werden dürfen, wer hierzu befugt ist und welche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind.

7 praktische Tipps zur Verbesserung der IT-Sicherheit im Homeoffice

Insbesondere aus Kostengründen wird es vielen Betrieben jedoch nicht möglich sein, das beschriebene Konzept umsetzen zu können. Kommen im Homeoffice private Rechner zum Einsatz, besteht ein grundlegendes Sicherheitsrisiko, da der durchschnittliche PC-Anwender nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um ausreichende IT-Sicherheitsmaßnahmen umsetzen zu können.

Mitarbeiter, die ihre privaten Rechner zu Arbeitszwecken nutzen, sind jedoch für die Sicherheit ihrer Geräte verantwortlich und mithin einem Haftungsrisiko ausgesetzt. Grundsätzlich sollte daher jeder Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter auf privaten Endgeräten arbeiten lässt, erforderliche Sicherheitsmaßnahmen finanziell und organisatorisch unterstützen.

Nachfolgend werden 7 einfache und leicht umzusetzende Tipps aufgezeigt, wie die IT-Sicherheit am heimischen PC verbessert werden kann:

1. Hard- und Software auf dem neusten Stand halten

Zu einer soliden Arbeitsumgebung gehört, dass ausschließlich Software verwendet wird, die auf dem aktuellsten Stand ist. Nichts macht es Angreifern leichter, als unbekannte Schwachstellen im Programmcode (sog. Zero-Day-Exploits) zu nutzen, um Zugriff auf das Endgerät und damit auf Firmendaten zu bekommen. Notwendig ist es, stets die neuesten Software-Aktualisierungen zu installieren. Das Installieren von Updates und Patches betrifft jedoch nicht nur das Betriebssystem, sondern auch die verwendeten Software Programme, die Gerätetreiber der Hardware sowie den WLAN-Router.

2. Trennung von privaten und geschäftlichen Daten

Die private und geschäftliche Nutzung eines Geräts birgt ein großes Gefahrenpotenzial. Es ist daher empfehlenswert, die beiden Bereiche so gut es geht zu trennen. Die beste Möglichkeit stellt dabei die Nutzung von sogenannten Containern dar. Dabei handelt es sich um Anwendungen, die einen geschützten Bereich auf dem Endgerät abtrennen. Nur innerhalb dieses Containers ist ein Zugriff auf Unternehmensdaten möglich.

Steht keine Container-Software zur Verfügung, so kann eine Trennung der Daten zumindest über separate Benutzerkonten erfolgen. Wird der private Computer für die Arbeit im Homeoffice genutzt, dann sollte hierfür ein separates Konto erstellt werden. Hierdurch können private von geschäftlichen Daten getrennt werden. Das Arbeitskonto sollte selbstverständlich mit einem eigenen Passwort versehen werden.

Was den Zugriff auf das E-Mail-Postfach angeht, sollte dieser via Exchange-Client oder Webmail erfolgen, damit E-Mails nicht auf dem privaten Rechner gespeichert werden.

3. Nutzung aktueller Sicherheitssoftware

Sicherheitsprogramme, die nicht nur vor Computerviren schützen, sondern auch einen Phishing-Schutz und eine Firewall bieten, gibt es bereits für kleines Geld. Virenschutz ist nicht nur empfehlenswert, sondern fast schon obligatorisch. Der Befall des PCs im Homeoffice durch Malware kann sich schnell im gesamten Firmennetzwerk ausbreiten und erhebliche Schäden verursachen.

4. Verschlüsselung der Festplatte sowie portabler Speichermedien

Ein weiterer Tipp besteht darin, die Festplatte des Geräts und externe Speichermedien – wie USB-Sticks, Speicherkarten oder mobile Festplatten – zu verschlüsseln. Hierdurch kann auch im Homeoffice gewährleistet werden, dass Daten geschützt bleiben. Dieser Schutz hilft insbesondere dann, wenn das Notebook oder das Speichermedium verloren geht. Die Verschlüsselung des Datenspeichers ist meist mit den vorhandenen Mittelns des Betriebssystems möglich und verursacht keine zusätzlichen Kosten.

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Posted by Dr. Mathias Grzesiek in Cybersecurity, Datenschutz, IT-Compliance, Praxistipps
Computergenerierte kinderpornographische Schriften zur Umgehung der Keuschheitsprobe?

Computergenerierte kinderpornographische Schriften zur Umgehung der Keuschheitsprobe?

Straf- und Ermittlungsverfahren im Bereich kinderpornographischer Inhalte sind stets ein über den reinen Unwertgehalt der Tat hinausgehendes hochsensibles Thema, das eine rechtliche Auseinandersetzung oft zusätzlich politisch aufbläht. Die Offenbarung eines Kinderporno-Rings im nordrhein-westfälischen Bergisch-Gladbach dürfte schwerlich unbemerkt an einem vorbeigegangen sein, zumal laut ersten Aussagen der Ermittlungen das vielleicht nur den Stamm, und nicht die Wurzeln darstellt.

Kurz vorab: (Kinderpornographische) Schriften werden im Gesetz nicht definiert. Bei Schriften (vgl. § 11 Abs. 3 StGB) handelt es sich um eine Zusammenstellung von Zeichen, die durch Augen oder Tastsinn wahrnehmbar sind und Gedankeninhalte verkörpern.[1] Ihnen gleichgestellt sind Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen. In § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB findet sich, dass dieser erweiterte Schriftenbegriff auch bei der Verbreitung, dem Erwerb und dem Besitz kinderpornographischer Schriften gilt, womit sämtliche Arten von Bildern, Tonträgern oder Videoaufnahmen (-zeichnungen) erfasst sind.

Ein Blick in die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigt, dass Fälle der Verbreitung von „pornographischen Schriften im Internet“ immer häufiger werden. Die Zahl stieg von 7.421 Fällen im Jahr 2018 auf insgesamt 10.662 im Jahr 2019. Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornographischer Schriften stieg von 7.449 auf 12.262 Fälle. Das rechtspolitische Bedürfnis einer Verschärfung der Strafen für solche „Kinderporno-Onlinebörsen“ ist also statistisch gesehen nachvollziehbar. [2]

Der politische Diskurs fordert zunehmend härtere Strafe, schaut man sich nur die Vorhaben von Justizministerin Lamprecht an[3] , die eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft für Kindesmissbrauch oder Besitz von kinderpornographischem Material fordert. Durch den Besitz solchen Materials „mache man sich mitschuldig“. Der Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern sei ein besonders hohes Gut betonte der Gesetzgeber auch in seinem ersten Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Versuchsstrafbarkeit von Cybergrooming. [4]

Kritiker wollen hierbei nicht außer Acht lassen, dass die verfügbaren Strafrahmen unseres Strafgesetzbuches nicht gering sind. Oft scheitere es daran, dass sich Ermittlungen im Sande verlaufen, nicht ausreichend Beweismaterial sichergestellt wurde, bei dem keine sinnvolle Verknüpfung zu den jeweiligen Tätern hergestellt wird und traurigerweise Behörden oftmals maßlos überfordert sind. Allein Dimensionen wie die aktuellen Enthüllungen von mutmaßlich 30.000 Verdächtigen im Missbrauchsfall Bergisch-Gladbach zeigen, dass ein erheblicher Arbeitsaufwand auf die ermittelnden Behörden zukommt.

Gesetzesänderungen

Der einschlägige § 184b Abs. 5 des Strafgesetzbuches (StGB) wurde zum März 2020[5] um S. 2 mit folgendem Inhalt ergänzt:

„Absatz 1 Nummer 1 und 4 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

  1. die Handlung sich auf eine kinderpornographische Schrift bezieht, die kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
  2. die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“

Da es sich vorliegend nicht um Alternativen handelt („und“) wird deutlich, dass der Einsatz von computergeneriertem kinderpornographischen Material ultima ratio bleiben soll und muss. Befürworter dieses Gesetzesentwurfs versprechen sich hiervon, dass „die Effizienz der polizeilichen Ermittlungstätigkeit gesteigert“ wird. [6] Hauptproblem ist nämlich oft, dass sowohl Zugang als auch Verbleiben in solchen Foren eine sog. Keuschheitsprobe erfordert, d.h. Mitglieder müssen, um Vertrauen zu gewinnen, selbst kinderpornographische Schriften hochladen, womit sie sich strafbar machen würden. Dasselbe galt bisher für Ermittler.[7]

Im Rahmen der Diskussion um die Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit bei Cybergrooming wurden auch Aspekte von Online-Tauschplattformen und deren erschwerten Zugriffsmöglichkeiten erörtert. Mithilfe dieser Ermittlungsmaßnahmen soll dazu beigetragen werden „den Markt für kinderpornographische Schriften auszutrocknen“. Der Gesetzesentwurf sprach sich bei der Abwägung zwischen rechtsstaatlichen Anforderungen einerseits und der „drängenden Aufgabe der Bekämpfung von Kinderpornographie andererseits“ zugunsten von letzterer aus. Rechtstaatlichen Anforderungen sei dahingehend genügt worden, dass wie oben bereits erwähnt der Einsatz solchen Materials stets ultima ratio bleiben soll. Darüber hinaus wurden durch die Schaffung des neuen § 110d StPO solche Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich unter einem Richtervorbehalt gestellt.[8]

Technische Grundlagen

Wer sich nun fragt, inwiefern bei der Herstellung computergenerierter Bilder nicht doch auch echte Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen verwendet werden, sei beruhigt: Der Gesetzesentwurf betont nochmal, dass für die unmittelbare Herstellung solcher Schriften keine Bildaufnahmen verwendet werden dürfen, „auf denen ein Kind oder ein Jugendlicher abgebildet ist“. Somit sind Fotocollagen oder verfremdete Bilder nicht zulässig.[9]

Ein künstliches neuronales Netzwerk wird mit Beispielbildern „gefüttert“ und angewiesen, den abgebildeten Inhalt nachzuahmen. In einem zweiten separaten Netzwerk wird geschaut, wie ähnlich diese generierten Bilder sind. Sieht das Bild nicht ähnlich genug aus, so muss das erste Netzwerk ein neues Bild generieren. Man „trainiert“ sprichwörtlich ein Netzwerk dazu, realistische Bilder zu erzeugen, bis das zweite Netzwerk keine Unterschiede mehr dahingehend erkennt, ob es sich um ein echtes oder um ein Fake-Foto handelt. Der „Trainingsvorgang“ selbst ist daher noch kein Herstellen, sondern nur zeitlich vorverlagert. Die eingespeisten Trainingsbilder selbst sind kein Bestandteil der dann vollständig künstlich erzeugten Aufnahmen.[10]

Fazit

Höhere Strafandrohungen allein sind kein geeignetes Mittel, um Delinquenz verhindern oder sogar bekämpfen zu können. Zielführender ist es, die Effektivität von Ermittlungsmaßnahmen zu steigern, um das Entdeckungsrisiko potenzieller Straftäter zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund sind die Gesetzesänderungen zu begrüßen.

Trotzdem bleiben Fragen offen, inwiefern nicht dadurch letztlich nur noch mehr kinderpornographische Schriften in Umlauf gebracht werden. Hier ließe sich entgegenhalten, dass die Schriften letztlich nur ultima ratio sein sollen und von keiner Überflutung der Server gesprochen werden kann. Der Anwendungsbereich soll stark eingegrenzt werden, um nur ermittelnden Personen ein effizientes Mittel zur Bekämpfung der Verbreitung kinderpornographischer Schriften an die Hand geben zu können.

Es soll festgehalten werden, dass durch diese Gesetzesänderung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine „Schadensverlagerung“ stattfinden kann. Damit ist gemeint, dass mit einer konsequenten Infiltrierung solcher Netzwerke diese schneller „ausgetrocknet“ werden können, bevor „frisches“ Material seinen Weg in das Netzwerk findet. Bereits so ließen sich mittelbar der Rechtsgüterschutz hinsichtlich Kindes-Opfern reduzieren und gleichzeitig Täter schneller aufspüren. Darüber hinaus würde man zusätzlich zögernden Usern per Zufall (das Material ist als solches nicht erkennbar) zu diesen Schriften greifen lassen und nicht zum echten Material. Eine Intensivierung der Rechtsgutsverletzung eines geschädigten Opfers unterbliebe insofern auch.[11]

Fußnoten

[1] Fischer StGB, 67. Auflage 2020, § 11 Rn. 34.

[2] Polizeiliche Kriminalstatistik, Jahrbuch 2019, Band 1, Fälle, Aufklärung, Schaden [aufgerufen am 07.07.2020].

[3]https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/lambrecht-will-kindesmissbrauch-schaerfer-bestrafen-16840973.html (aufgerufen am 01.07.2020).

[4] Vgl. BT-Drs. 19/13836, S. 8.

[5] https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/165/1916543.pdf (aufgerufen am 02.07.2020).

[6] Vgl. BT-Drs. 19/16543, S. 10.

[7] Vgl. BT-Drs. 19/16543, S. 8 f.; BT-Drs. 19/13836 S. 10.

[8] Vgl. BT-Drs. 19/13836, S. 15; BT-Drs. 19/16543 S. 10; BeckOK StGB/Ziegler, § 184b Rn. 20a-d.

[9] Vgl. BT-Drs. 19/16543, S. 11; BeckOK StGB/Ziegler, § 184b Rn. 20b.

[10] Vgl. BT-Drs. 19/16543, S. 11.

[11] Vgl. BT-Drs. 19/13836, S. 16.

Posted by Kevin Klingelhöfer in Cybercrime, Darknet